Es war ein besonderer Tag, der 26. April 2018
Das Projekt „Severingasse 8“ im 9. Wiener Gemeindebezirk fand an diesem Tag seinen Abschluss.
Unser Ziel, ein Zeichen der Erinnerung an die Familie Kandel und alle weiteren Menschen aus dem Wohnhaus, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft, zwischen 1938 und 1945 verfolgt, vertrieben und ermordet wurden, zu setzen, wurde erreicht.
Das Besondere ergab sich bereits in der Vorbereitungsphase: es fanden sich immer mehr engagierte und initiative Menschen wie Institutionen, die uns unterstützten. Allen voran Eric Kandel, der im Haus Severingasse 8 – bis zur Flucht in die USA 1939 – seine frühe Kindheit verbrachte. Wir trafen ihn bereits im Frühjahr 2016 zu einem Interview.
Er, der „US-amerikanische Nobelpreisträger mit österreichischen Wurzeln“ (E.Kandel), war von Anfang an von unserem Plan einer Gedenktafel begeistert und sagte spontan sein Kommen zur Enthüllung zu. Am 26.4.2018 war er dann beinahe ganztags und bis zum späten Ende, des ihm gewidmeten Festaktes im Festsaal der Bezirksvertretung des 9. Bezirks, munter und fröhlich dabei.
Bereits am Vormittag stand er Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern der HLMW9 Michelbeuern und allen Eingeladenen in einem übervollen Festsaal der Schule zum bilingualen Interview zur Verfügung. Die vorbereiteten Fragen waren bald obsolet.
Im persönlichen Gespräch faszinierte er mit seinen klaren, sehr persönlichen Antworten und Berichten über die Zeit des von ihm als Kind erlebten Grauens. Er überzeugte mit seiner Fähigkeit, allen Anwesenden mit seinem Charme und Humor die Ehrfurcht vor ihm, dem Holocaustüberlebenden und Nobelpreisträger, zu nehmen. Seine Aufforderung speziell an die Jungen war: lernen, Sprachen lernen, wach, kritisch und in Bewegung bleiben – „it´s excellent for the brain“.
Martin Auer
Eric Kandel mit den Fachlehrerinnen Martina Pöttinger und Katharina Holovlasky
Eindrücke aus dem Leben von Eric Kandel, zum Nachhören:
Am Nachmittag begrüßte Liette Clees für die Lokale Agenda Alsergrund alle Gäste.
Bezirksvorsteherin Martina Malyar und Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny hielten sehr persönliche Reden.
Beatrix Wimmer, Vorsitzende des Vereins Volksopernviertel 1938, dankte allen Beteiligten und gab einen kurzen Einblick in die Arbeit des Vereins.
Speziell gedankt wurde den EigentümerInnen des Hauses Severingasse 8. Sie hatten der Anfrage des Vereins, eine Gedenktafel an ihrem Haus montieren zu dürfen, sofort zugestimmt.
Nach dem Gebet von Oberrabbiner Arie Folger sprach die Historikerin Maria Czwik über ihre Rechercheergebnisse zu den Vertriebenen der Severingasse 8.
Für die Schülerinnen und Schüler der HLMW 9 Michelbeuern bedankte sich Layla Soussi für die Projektkooperation mit dem Verein Volksopernviertel 1938, durch die sie alle wertvolle Erfahrungen gewinnen konnten. Ihre Kollegin Laura Schrom las anschließend einen bewegenden Text aus „Buchengasse 100“ von Oswalda Tonka.
Die musikalische Umrahmung gestaltete das WanDeRer-Trio.
Zur Freude auch von Eric Kandel, der zur Überraschung aller – bevor er die Gedenktafel enthüllte – eine speziell für diesen Anlass geschriebene Rede mit kritischen Anmerkungen zur aktuellen Situation Österreichs hielt.
Bei der Enthüllung der Gedenktafel durch ihn, seiner merkbaren Freude, diese an seinem Kindheitshaus vornehmen zu können, wurde das Besondere dieses Moments bewusst. Das WanDeRer-Trio spielte für ihn und seine Gattin Denise noch ein kleines Wunschprogramm, was die beiden zu einem kleinen Tanz verleitete.
Der auch durch Schülerinnen und Schüler festlich geschmückte Festsaal der Bezirksvertretung Alsergrund bot einen wunderbaren Rahmen für den anschließenden Festakt für Eric Kandel.
Zur Einstimmung führte Layla Soussi ein kurzes Interview mit ihm. Geehrt wurden er und seine Frau Denise durch Bezirksvorsteherin Martina Malyar in einer sehr fröhlich-berührenden Rede. Beatrix Wimmer bedankte sich im Namen des Vereins für die wertvolle Zusammenarbeit mit allen, die am Zustandekommen dieses besonderen Gedenktages beigetragen haben. Laura Schrom las beeindruckend einen Ausschnitt aus Joseph Roths „Im Bistro nach Mitternacht“.
Die Überreichung der Geschenke zur Erinnerung an diesen besonderen Tag und Abend an das Ehepaar Kandel, die Hausbesitzerinnen und Fachlehrerinnen bildete den Abschluss der offiziellen Feierlichkeiten. Das Buffet wurde eröffnet, die Weine vom Weingut Walter fanden großen Anklang, die Schülerinnen und Schüler präsentierten und servierten höchst professionell und charmant.
Ein Dank gilt ebenso der Bezirksvorsteherin Martina Malyar und der Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin Momo Kreutz. Ohne die Unterstützung der beiden hätte das Projekt nicht in dieser Form umgesetzt werden können.
Bei ihnen und allen, die am Gelingen dieses Projektes beteiligt waren, bedankt sich der Vorstand des Vereins sehr herzlich!
Diese Veranstaltung war ein Teil der Kooperation unseres Vereins mit der HLMW 9 Michelbeuern, im Speziellen den Fachlehrerinnen Martina Pöttinger und Katharina Holovlasky. Von ihnen initiiert ergab sich eine großartige Projektarbeit der Schülerinnen und Schülern der 3HKB. Sie gestalteten mit großem Engagement ein interessantes Programm. Mit Unterstützung des Schauspielers und Autors Martin Auer wurde an der Gedenktafel ein QR-Code installiert, welcher zusätzlich Hintergrundinformationen zu Eric Kandel und dem Projekt liefert. Text und Video stammt von den Schülerinnen der HLMW9 Luise Macku und Derin Halenur.
Alle Fotos: © Susanne Regner